14.05.2018 -
Die Europäische Zentralbank sieht Europa auf gutem Weg. Ein erstes Indiz für die baldige Zinswende? Eher nicht, sagt Markus Krall, und erklärt, was das mit Banken und „untoten“ Unternehmen zu tun hat.
Für die Banken ergeben sich aus der Nullzinspolitik zwei gewaltige Probleme: Zum einen erodieren ihre Erträge aus dem kommerziellen Bankgeschäft, dem Kreditgeschäft beispielsweise – die Zinsmargen brechen ein. Zum anderen wird ihr Kreditbestand verseucht durch „Zombieunternehmen“. Damit sind Unternehmen gemeint, die aufgrund ihrer mangelnden Effizienz, Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eigentlich in die Pleite geschickt werden müssten. Sie bleiben aber am Leben, weil der „Nullzins“, also die günstigen Konditionen für Kredite, sie künstlich am Leben halten. Eine natürliche Auslese dieser Unternehmen findet nicht statt. Es braucht aber nicht allzu viel Vorstellungskraft um zu erahnen, was mit den Zombies passiert, sollte das Zinsniveau irgendwann steigen – und welche Probleme sich dann daraus für die Banken ergeben…
Beginnen wir mit den Erträgen aus dem kommerziellen Bankgeschäft: 80 Prozent der Bankerträge ausserhalb des Investment-Banking kommen aus drei Quellen, die alle mit der Struktur der Zinskurve zusammenhängen. Das sind die sogenannte Sparmarge, die Transformationsmarge und die Kreditmarge. Die Sparmarge ist die Differenz zwischen dem Zins, den die Bank auf Spareinlagen zahlt und dem, was sie am Geldmarkt für Tagesgeld erhält. Je nach Marktlage waren das früher ein halbes bis anderthalb Prozent. Heute ist dieser Satz, der Strafzinsen für Einlagen bei der Zentralbank sei „Dank“, negativ. Nach Kosten beträgt er ca. minus 0,6 Prozent.
Die Transformationsmarge ergibt sich daraus, kurzfristige Einlagen langfristig als Bau- oder Unternehmenskredite auszureichen und so die Differenz zwischen lang- und kurzlaufenden Zinsen zu nutzen. Da in einer normalen, nicht manipulierten Welt die Zinskurve eine positive Steigung hat, kann die Bank auf diesem Wege nochmals ein bis drei Prozent verdienen – je nach Marktlage. Bei einer entlang der Nulllinie verlaufenden Zinskurve schrumpft der Bruttogewinn auf wenige Basispunkte, und er wird negativ, wenn man das Zinsänderungsrisiko berücksichtigt, das die Bank angesichts der möglichen Kosten steigender Zinsen am kurzen Ende nimmt. Auch die dritte und letzte Komponente, die Kreditmarge, ist unter Druck. Sie ergibt sich als Aufschlag gegenüber dem „risikofreien“ Zinssatz, weil Kredite in aller Regel nicht an AAA-Kunden, also die erstklassigen Kunden, verliehen werden.
Weil die Banken die ersten beiden Margenbeiträge als Ergebnis der Geldpolitik eingebüsst haben, aber gezwungen sind, ihre Kosten zu decken, versuchen sie die Ausfälle zu kompensieren, indem sie noch mehr Kreditgeschäft machen und so die Kreditmarge steigern. Weil das aber alle tun, steigt bei starrer Nachfrage das Angebot, was letztlich zu einem fallenden Preis, also einer fallenden Marge auf Kredite führt.
Verhüllt wird dieser Margenverfall durch die zuvor beschriebene Zombifizierung der Unternehmenswelt, will heissen, die niedrigen Ausfallraten bei den Schuldnern führen dazu, dass die Risikomodelle der Banken sinkende Risiken anzeigen – schliesslich geht ja niemand mehr pleite, überspitzt formuliert. Vergleichen wir das Niveau der jährlichen Unternehmenspleiten vor der Finanzkrise mit dem Niveau seit Beginn der Krise 2007, dann stellen wir fest, dass die Unternehmensinsolvenzen Jahr für Jahr gefallen sind. Von ihrem langfristigen Durchschnitt von anderthalb bis zwei Prozent sind sie auf zuletzt nur noch ein halbes Prozent gesunken. Mittlerweile liegt der Anteil der Zombieunternehmen in der Eurozone bei mehr als zehn Prozent. Deutschland ist da keine Ausnahme. Der jahrelange Rückgang der Pleiten gaukelt den Banken ein geringeres Risiko vor und verleitet sie dazu, allzu grosszügig bei den Kreditkonditionen zu sein und eine gefährliche Kreditpolitik zu betreiben.
Kommt es dann irgendwann zu einer Zinswende, so werden die Pleiten dieser Unternehmen in einer sich brechenden Welle von Insolvenzen nachgeholt und die Bankbilanzen massiv belasten. Diese Welle wird mit der Zahlungsunfähigkeit der südeuropäischen Länder zusammenfallen, die die von der EZB „gekaufte Zeit“ eben nicht genutzt haben, um notwendige Strukturreformen umzusetzen – und die eine Zinswende deshalb ebenfalls nicht überleben würden. Das ist der wahre Grund, warum wir trotz der angeblich so erfolgreichen Geldpolitik keine Zinswende sehen werden.
Dies ist ein Auszug aus dem Gastbeitrag „In der Falle“ von Markus Krall. Den vollständigen Beitrag finden Sie in der aktuellen Ausgabe von „Position“, dem Magazin von Flossbach von Storch. Sichern Sie sich hier Ihr kostenloses Abonnement der "Position".