26.04.2019 - Philipp Vorndran

Die etwas andere Zinswende


Die etwas andere Zinswende

Die Zinsen bleiben niedrig. Anleger sollten das allmählich akzeptieren – und die richtigen Konsequenzen für ihre Vermögensplanung ziehen.

Nun gab es sie doch noch, die Zinswende. Allerdings verlief sie in die falsche Richtung. Die US-Notenbank Federal Reserve kündigte an, auf ihre für dieses Jahr geplanten Zinsschritte zu verzichten. In Europa rechnet kaum noch jemand mit steigenden Zinsen. EZB-Chef Mario Draghi garantiert Null- und Negativzinsen bis 2020, über das Ende seiner Amtszeit hinaus. Eine Normalisierung der Euro-Geldpolitik ist wieder einmal gescheitert. Dem EZB-Präsidenten gelang es in acht Jahren Amtszeit nicht, auch nur einmal die Zinsen anzuheben. Deutsche Bundesanleihen rentierten in den vergangenen Wochen bis zu einer Laufzeit von zehn Jahren zeitweise im Minus.

Kein echter Zinsanstieg in Sicht

Dass die Zinsen auf Sicht wieder steigen, daran glauben wir nicht. Nur mit niedrigen Zinsen lassen sich die ständig steigenden Schulden finanzieren. Japan könnte dabei eine Blaupause für dauerhafte Tiefzinsen sein. Hier scheint sich niemand daran zu stören, dass die Gesamtverschuldung immer weiter steigt, auf fast 400 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), wie Grafik 1 zeigt. Anders als die Deutschen scheint die Japaner die Schuldenlast nicht zu stören. Sie haben sich längst daran gewöhnt. Die Eurozone und die USA folgen mit nur geringem Abstand. China hat kräftig aufgeholt. Die immense Dynamik des Schuldenaufbaus gibt einen Eindruck davon, welche Rolle neue Kredite für das Wachstum Chinas spielen.

„Vorbild“ Japan?

Noch ist das Momentum intakt. Die Staatsschulden können noch einige Jahre weiter steigen. Vielleicht haben wir irgendwann in allen Industrieländern Verhältnisse wie in Japan. Klar ist aber auch: Irgendwann ist damit Schluss. Zumindest wenn den Regierungen und Notenbanken etwas an halbwegs stabilen Währungen gelegen ist ...!

Niedrigzins sorgt für Preisinflation bei Immobilien

Anders als viele kurzfristige Börsentrends sind die niedrigen Zinsen für langfristige Anleger wirklich relevant. Der Zins ist die Gravitationskraft der Finanzmärkte. Geht er verloren, fehlt die Orientierung. Dann kommt es zu einer Preisinflation bei vielen Vermögenswerten. Das beste Beispiel dafür sind Immobilien. Diese Anlageklasse profitierte bislang am stärksten vom Zinstief – neben den Anleihen, logischerweise. Natürlich macht es einen erheblichen Unterschied für den Preis einer Immobilie, ob man sie mit einem Darlehen zu einem Zins von gut einem Prozent finanzieren kann, oder zu zehn Prozent, wie noch Anfang der neunziger Jahre.

In München kostet der durchschnittliche Quadratmeter mittlerweile mehr als 8000 Euro, in Frankfurt und Stuttgart gut 6000 Euro (vgl. Grafik 2). Dabei sind diese Durchschnittspreise für kleinere Wohnungen wohl eher noch Schnäppchen. Exklusivere Lagen oder Objekte gibt es dafür nicht.

Inflation trifft viele Deutschen hart

Vor allem in den vergangenen drei Jahren gingen die Preise hoch. Die Entwicklung wird sicher in einem gewissen Maße von der steigenden Nachfrage bestimmt. Die deutschen Metropolen wachsen und ziehen viele Käufer und Mieter an. Die tiefen Zinsen haben die Dynamik der Preise aber wesentlich erhöht. Und diese Dynamik dürfte sich fortsetzen. Deutschland ist im internationalen Vergleich immer noch eines der günstigsten Länder – und die Zinsen bleiben niedrig.

Eine Inflation der Vermögenspreise trifft in Deutschland viele Menschen hart. In einem Land, in dem, wie die Bundesbank zuletzt meldete, nur 40 Prozent der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden leben, und die Aktie für viele ein Fremdwort bleibt, ist es da beinahe folgerichtig, das populistische Politiker das ausnutzen und Zwangsbebauungen oder sogar die Enteignung von Wohnungen fordern. So etwas löst natürlich keine Probleme. Wer sehen möchte, wie Städte aussehen, die bezahlbaren Wohnraum für alle bieten, sollte einmal Japan besuchen. Hochhausschluchten und Betonwüsten dürften den Menschen in Freiburg, Köln oder München kaum zu vermitteln sein.

Keine Übertreibungen am Aktienmarkt

Auf dem Aktienmarkt ist die Vermögenspreisinflation bislang nur begrenzt angekommen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass auch diese Anlageklasse auf ganz lange Sicht betroffen sein wird. Noch fürchten sich die Menschen aber vor der großen Zinswende. Aber was würden die Deutschen wohl tun, wenn sie eine Garantie dafür bekämen, dass die Zinsen auch in zehn oder 20 Jahren noch auf dem heutigen Niveau stehen würden? Sie würden wohl noch viel mehr für Immobilien ausgeben, finanziert mit kurzfristigen Hypotheken. Und wenn dann die Mietrenditen bei unter ein Prozent angekommen wären, vielleicht doch einmal in Aktien investieren. Bei einer Nullzins-Garantie würden sie dann möglicherweise sogar auf die Idee kommen, bei einer langfristigen Gewinnrendite von sechs Prozent am Aktienmarkt, Aktien auf Kredit zu kaufen. Diese Garantie wird aber keiner geben können, auch wenn viele Indizien für „forever low“ sprechen. Noch scheint der Glaube an die Zinswende aber ungebrochen. Das Zinstief bleibt, das ist unsere feste Überzeugung, noch sehr lange.

Noch sind Aktien nicht hoch bewertet. Aktuell liegt die Gewinnrendite des zyklischen Dax bei gut acht Prozent, die Rendite der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe bei null, der MSCI-World liegt bei einer Gewinnrendite von knapp unter sieben Prozent und der Welt- Bond -Zins bei knapp 1,5 Prozent. Da sollte die Wahl nicht schwerfallen. In Zeiten ohne Zinsen braucht es keine Überflieger. Es reicht aus, wenn Unternehmen verlässlichen Cash Flow aus den Gewinnen generieren, Dividenden ausschütten und den Wert des Unternehmens langfristig steigern.

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