07.02.2019 -
Das Geschäft mit dem guten Gewissen boomt – auch in der Geldanlage. Doch so manches grüne Etikett entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Schwindel.
Für Finanzinstitute und Vermögensverwalter bietet der dem Zeitgeist entsprechende Trend zur „Nachhaltigkeit“ ein neues Geschäftsfeld. Da die meisten Menschen auch bei der Geldanlage ein gutes Gewissen haben wollen, sich aber oft nicht wirklich für Finanzanlagen interessieren, sind sie leichte Beute für Produktanbieter. Kaum ein Kunde kann oder will den Nachhaltigkeitsschleier eines Fonds lüften und unter die Oberfläche schauen. Im Gegensatz zum Spritverbrauch bei Autos sind ESG-Versprechen zumeist auch gar nicht überprüfbar. Wer kann schon feststellen, ob ein Konzern mit 100.000 Mitarbeitern, hunderten Standorten und tausenden Zulieferern beispielsweise die von Land zu Land verschiedenen arbeitsrechtlichen Vorschriften tatsächlich überall einhält?
Unternehmen können sich bewusst einen grünen Anstrich geben, um den Investoren zu gefallen, wie zum Beispiel ein grosser Erdölkonzern, der sich vor einigen Jahren ein grünes Logo gab und sich inoffiziell umfirmierte in „Beyond Petroleum“. Diese auch als „Greenwashing“ bezeichnete Strategie macht aus der Not, als nicht nachhaltig stigmatisiert zu werden, eine Tugend. So kann man mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit sein Image aufpolieren und sich dank guter ESG-Ratings neue Investorenkreise erschliessen.
Finanzinstitute, deren Image immer noch unter der Finanzkrise leidet, können sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und sich zusätzliche Absatzpotenziale durch grün etikettierte Nachhaltigkeitsprodukte erschliessen. Diese als „Green Labeling“ bekannte Strategie funktioniert auch mit bestehenden Fonds, denen einfach ein grünes Mäntelchen übergestreift wird. So hat jüngst eine deutsche Fondsgesellschaft die Auflage eines Zwillingsfonds angekündigt, der den bestehenden Flagschifffonds des Hauses mit einem Nachhaltigkeitsfilter reinigen soll.
Das Versprechen, Unternehmen auszuschliessen, die sich nicht ausreichend um Menschen- und Arbeitsrechte kümmern oder mit Atomkraft und Kohlebergbau Geld verdienen, bedeutet nicht viel. Ersteres ist ein Ziel, das ohnehin alle seriösen Fondsmanager verfolgen, das aber leider nur sehr schwer überprüfbar ist. Letzteres ist angesichts der wenigen betroffenen Unternehmen kaum relevant.
Ähnliches gilt auch für grüne Anleihen, sogenannte „Green Bonds“. Während die Finanzierung eines Windrads ja noch einen direkten Bezug zur Umwelt hat, scheint dieser bei dem grössten Green Bond der Welt schon sehr an den Haaren herbeigezogen. Es handelt sich um eine 2039 fällig werdende, französische Staatsanleihe mit einem ausstehenden Volumen von 14,8 Mrd. Euro, die logischerweise damit auch die mit Abstand grösste Position der meisten grün etikettierten Bond- ETFs ist.
Während man Green Labeling noch als geschicktes Marketing bezeichnen könnte, ist zu befürchten, dass die wohlmeinende Idee nachhaltigen Investierens auch vermehrt zu „Green Fraud“ führt, weil Betrüger das gute Gewissen der Anleger ausnutzen. Statt für Container oder Schiffe werden unseriöse Renditeversprechen für Windräder, Solarparks oder Biogasanlagen gemacht, die im Extremfall noch nicht einmal existieren. Das Kapern nachhaltigen Anlagebewusstseins durch unseriöse Anbieter des Grauen Kapitalmarktes ist das letzte, was sich Protagonisten nachhaltigen Investierens wünschen dürften.