02.10.2018 -
Italiens neue Regierung befindet sich auf Kollisionskurs mit der EU. Welche Folgen die wirtschaftspolitischen Pläne haben können.
Mit ihrem geplanten europapolitischen Kurs begibt sich die neue italienische Regierung auf Kollisionskurs mit der Europäischen Union und der Eurozone. „Auch wenn die Regierung noch kein verbindliches Konzept vorgelegt hat – erste Umrisse sind zu erkennen“, sagt Agnieszka Gehringer. Die Research-Analystin des Kölner Flossbach von Storch Research Institute hat die ersten Pläne der italienischen Regierung für ihre zukünftige Europapolitik in einer Studie untersucht.
„Mit ihren Ideen für eine aktive Geldpolitik und eine gemeinsame Investitionspolitik begibt sich die italienische Regierung auf Kollisionskurs mit den europäischen Institutionen“, sagt Gehringer. Denn diese Institutionen forderten von Italien immer wieder die Notwendigkeit von Strukturreformen ein. Doch statt diese Reformen anzugehen, wünschen sich nun die Italiener unter anderem Kompetenzerweiterungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie soll zum einen die Steuerung des Euro-Wechselkurses übernehmen und zum anderen als Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten beiseite stehen, indem sie die Zinsspreads kontrolliert und so „spekulative Attacken“ abwendet. Ausserdem verlangen sie eine europäische Investitionspolitik, die – so die Vorstellung der italienischen Entscheidungsträger – das reale Wachstum erhöhen und Produktivitätsunterschiede im Euroraum beseitigen soll.
Die Pläne der Italiener laufen darauf hinaus, die gravierenden wirtschaftlichen Probleme des Landes durch eine auf keynesianischem Denken basierende Stimulierung der Nachfrage – mit eigenen und gemeinschaftlichen Finanzmitteln – zu lösen. Und eben nicht durch Strukturanpassungen. Ein Dilemma: Ohne den Beistand der EZB oder einen erweiterten Investitionshaushalt dürfte die italienische Regierung kaum in der Lage sein, ihre politischen Versprechungen zu erfüllen. Aber ohne Strukturanpassungen ist fraglich, ob die EZB und andere Euro-Partner hier Unterstützung gewähren.
Diese Strukturanpassungen sind längst überfällig. Schon vor der Euroeinführung hat Italien darauf verzichtet, seine Wirtschaftsstruktur den Erfordernissen der Einheitswährung anzupassen. Das Ergebnis: Nach der Euroeinführung war die wirtschaftliche Entwicklung für viele Italiener zutiefst enttäuschend. Dafür machten die Italiener aber nicht ihre Regierung und deren verfehlte Politik verantwortlich, sondern die gemeinsamen fiskalischen Regeln der Eurozone, die zwar den Spielraum der Fiskalpolitik begrenzen, aber dafür sorgen, dass das Trittbrettfahrer-Verhalten vermieden wird. Was dabei dennoch primär übersehen wird: Die vergleichsweise schlechte Entwicklung der italienischen Wirtschaft war schon vor der Euroeinführung absehbar.
Vor den Risiken für Europa, die durch die Euroeinführung bei einer mangelnden wirtschaftlichen Angleichung drohen, hatten schon 1992 insgesamt 62 renommierte deutsche Wirtschaftswissenschaftler in einem Manifest gewarnt: Sie sahen in der Euroeinführung ohne eine Angleichung der relevanten Wirtschaftsstrukturen der Mitgliedsländer eine Gefahr für Europa. Diese Warnungen haben sich eindrucksvoll bestätigt. Der Kollisionskurs Italiens steht nun symptomatisch dafür. „Abzuwarten ist, wie hart dieser Konflikt ausgetragen wird und wer schliesslich klein beigibt“, sagt Gehringer.
Die komplette Studie kann auf der Seite des Flossbach von Storch Research Institute heruntergeladen werden.