27.09.2019 -
Noch gibt es den Bürgerfonds gar nicht, da läuft er schon Gefahr, für politische Projekte instrumentalisiert zu werden.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell hierzulande Finanzthemen ideologisch gekapert werden. Nehmen Sie zum Beispiel den Bürgerfonds: Kaum diskutieren wir, wie solch ein Bürgerfonds ausgestaltet sein könnte – möglichst viele Aktien, möglichst international – da kommen schon ideologische Forderungen auf. Als Vorbild für politisch gewollte Nachhaltigkeit wird der Norwegische Staatsfonds genannt: Der schliesst nämlich Ölinvestments aus.
Doch genau diesem Argument liegt ein grundlegendes Missverständnis zu Grunde: Gerade der Norwegische Staatsfonds ist ein Fonds, in dem Ideologie praktisch keine Rolle spielt. Dass die Norweger keine Ölinvestments im Fonds haben, liegt schlicht daran, dass das Ölförderland Norwegen Öl als Klumpenrisiko auf Investmentebene vermeiden will. Denn von den langfristigen Fondserträgen hängt die Zukunft Norwegens ab, wenn die Ölquellen des Landes versiegt sind. Heute hält der Staatsfonds zirka 65 Prozent Aktien und hat jüngst die europäische Komponente nochmals reduziert. Der Fonds orientiert sich stärker Richtung USA.
Wie die Norweger ihren Fonds verwalten, gefällt mir sehr gut. Dieser unabhängige, ideologiefreie Ansatz wäre auch für Deutschland eine gute Lösung. Aber ich halte es für unrealistisch, dass ein deutsches Parlament einen Bürgerfonds mit einer solch hohen Aktienquote absegnet, eine niedrige Europa- und Deutschland-Quote akzeptiert und das Fondsmanagement unabhängig investieren lässt.
Ich befürchte, dass ein Bürgerfonds deutschen Politikern als willkommenes politisches Steuerungsinstrument dient. Denn mit dem Fonds liessen sich sehr bequem staatliche Aufgaben oder Subventionen aus dem Haushalt in die Geldanlage verschieben. Dazu ein Gedankenbeispiel: Die Politik könnte ja durchaus bestimmen, dass es eine Aufgabe des Fonds ist, sehr stark die europäische Landwirtschaft zu fördern und mindestens 50 Prozent der Aktien aus der deutschen und europäischen Landwirtschaft zu halten.
Das klingt absurd? Doch noch in den frühen 1980er Jahren bestimmten hohe Agrarsubventionen die politische Debatte – mit Folgen, die mitunter bis in die Gegenwart reichen. Deshalb habe ich das Beispiel ganz bewusst so gewählt. Heute spricht kaum jemand noch über Agrarsubventionen, aber viele über Subventionen für Energieträger oder einzelne Industriesparten. Es dürfen in einen Bürgerfonds für die Altersvorsorge aber keine politischen Modethemen einfliessen, die dann eine auf 20 oder 30 Jahre ausgelegte Anlagepolitik prägen. Doch genau das zeichnet sich in der Diskussion um einen deutschen Bürgerfonds ab.