21.08.2018 -
Nachhaltigkeit - der Begriff suggeriert Konsum mit gutem Gewissen. Auch in der Geldanlage soll es nachhaltig zugehen. Warum es dort an der Umsetzung hapert, erklärt Bert Flossbach.
Nachhaltigkeit ist zum Modetrend geworden. Es dürfte schwer sein, Supermarktketten, Autohersteller oder Energieversorger zu finden, die das Thema noch nicht in der Werbung gespielt haben. Die Ursprünge der Nachhaltigkeit liegen lange zurück. Der Blick auf die Wurzeln lohnt. Sie zeigen worum es eigentlich geht.
Der Begriff wurde erstmals 1713 von Hans Carl von Carlowitz im Zusammenhang mit einer kontinuierlichen, beständigen Forstwirtschaft verwendet. Der Gedanke ist bestechend einfach: Es soll nicht mehr Holz gefällt werden, als nachwachsen kann. Nachhaltigkeit wird auch mit Adjektiven wie dauerhaft, beständig, ununterbrochen, nachdrücklich, stabil oder einfach als Erfolg oder Wirksamkeit einer Sache beschrieben.
Auch in der Finanzwelt ist Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Thema geworden. Was ist schliesslich schöner, als mit gutem Gewissen Geld zu verdienen. Allerdings fehlt es an einer einheitlichen Definition, was unter nachhaltigem Investieren zu verstehen ist. Dazu bräuchte es eine allgemein akzeptierte ethisch-moralische Instanz, die exakt festlegt, was richtig und was falsch ist. Selbst wenn es sie gäbe – es bliebe immer noch das Problem der Messbarkeit.
Deshalb werden Moralvorstellungen häufig zu Ausschlusskriterien umformuliert, die dann zu entsprechenden Anlageverboten führen: Ökomoral (keine Autos mit Verbrennungsmotor), Gesundheitsmoral (kein Zucker, kein Alkohol, keine Zigaretten), pazifistisch geprägte Moral (keine Waffen), religiös geprägte Moral (keine Zinsen, keine Verhütungsmittel), die ultimative Moral (nichts Unmoralisches) und natürlich die Doppelmoral (man fährt morgens zwar mit dem Auto zur Arbeit und geniesst abends ein Glas Wein, schliesst aber Produzenten von Energie, Autos und Alkohol als Anlagen aus). Teilweise widersprechen sich die Moralvorstellungen auch. Eine Seite lehnt Verhütungsmittel kategorisch ab, eine andere befürwortet sie ausdrücklich. Hans Carl von Carlowitz dürfte sich wundern, was ausserhalb der Forstwirtschaft mittlerweile alles möglich ist.
Je mehr Branchen kategorisch ausgeschlossen werden, desto kleiner wird das Anlageuniversum. Eine wirklich konsequente Umsetzung müsste dann auch noch wichtige Geschäftspartner und Lieferanten auf die Verbotsliste setzen. Banken und Versicherungen etwa, die die Geschäfte finanzieren und versichern. Oder Glashersteller, die Schnapsflaschen produzieren. Am Ende bliebe dann nicht mehr viel übrig.
Um dies zu vermeiden, hat sich ein sogenannter „Best-in-Class“-Ansatz etabliert. Damit ist es möglich, mit gutem Gewissen auch in eigentlich verpönte Branchen zu investieren. Einzige Bedingung: Das betreffende Unternehmen zählt zu den Besten unter den Schlechten. So hatte es der Ölkonzern BP auch mit geschicktem Marketing in die Best-in-Class-Listen geschafft. Die flotte Umdeutung des namens „British Petroleum“ in „Beyond Petroleum“ sollte dabei die besondere Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt zum Ausdruck bringen. Die Explosion der BP-Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko offenbarte dann nicht nur schwerwiegende Verfehlungen des Unternehmens, sondern auch die Grenzen des „Best-in-Class“-Ansatzes.
Auch mit Umsatzobergrenzen für „schmutzige“ Geschäfte in einem ansonsten sauberen Konzern lässt sich das Schrumpfen des Anlageuniversums begrenzen. So gilt ein Konsumgüterkonzern, der beispielsweise weniger als fünf Prozent seines Umsatzes mit Spirituosen macht, gemeinhin als „alkoholfrei“. Mit dieser Regelung lässt sich auch ein „schmutziges“ Geschäft reinwaschen, wenn es von einem grossen, nachhaltigen Unternehmen übernommen wird.
Inzwischen stehen auch Ratingagenturen bereit, die als Nachhaltigkeits-TÜV den Investoren helfen, ihre Strategien umzusetzen. Als gemeinsamer Nenner dient zumeist der Dreiklang „Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung“, der international als ESG (environmental, social, governance) bezeichnet wird. Dieser Wertekanon klingt vielversprechend. Er ist positiv konnotiert, allgemein akzeptiert und berücksichtigt die Interessen der Allgemeinheit in umfassender Form. Doch auch mit ESG-Ratings lassen sich grobe Fehler wie „Deepwater Horizon“ nicht vermeiden.
Die grösste Fehlerquelle ist bekanntlich der Mensch. Deshalb muss nachhaltiges Investieren auch bei den Menschen ansetzen, vor allem bei denen, die die wichtigsten Entscheidungen verantworten und die Firmenkultur wie das Wertesystem prägen.
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